2. Internationales Symposium “Konsequenzen der Bombardierung des ehemaligen Jugoslawiens mit abgereichertem Uran 1999”

20. August 2019 Allgemein, Artikel, ICBUW, Veranstaltungen

Seit 20 Jahren ist der Krieg in Jugoslawien vorbei, aber die Konsequenzen davon sind immer noch da – und die Zerstörung ist nicht die einzige Folge. In diesem Krieg, wie in vielen anderen, wurde Uranmunition eingesetzt, der Großteil davon in den letzten Tagen vor dem Ende der Kampfhandlungen, als die Niederlage der serbischen Armee schon feststand. Vom 17. bis 19 Juni 2019 fand das Zweite Internationale Symposium “Konsequenzen der Bombardierung des ehemaligen Jugoslawiens mit abgereichertem Uran 1999” im serbischen Nis statt. Diesjährige Konferenz hatte das Motto „Mit Wahrheit zur Gerechtigkeit“ und brachte Wissenschaftler, Juristen, Journalisten und andere Experten aus Serbien, Russland, Deutschland, der Schweiz, Malta, Griechenland, Nordmazedonien, Bulgarien, Schweden und Italien zusammen, um die rechtlichen, politischen, wirtschaftlichen, ökologischen, gesundheitlichen und andere Aspekte der NATO-Bombardierung 1999 zu besprechen, sowie die passenden Lösungen – rechtlicher und politischer Natur für die Opfer zu finden. Die Konferenz wurde von unterschiedlichen Journalisten und Medien aus ganz Europa begleitet, vor allem serbisches Fernsehen hatte besonderes Interesse an dem Event, welches in der Universität von Nis stattfand. Dieses Jahr wurde ICBUW durch Prof. Manfred Mohr sowie den Praktikanten Ilia Kukin vertreten.

20 Jahre sind vergangen nach der Bombardierung von Jugoslawien durch NATO – und leider waren das die „Years of Silence“, wie der Titel des Buches über die Ereignisse in Nis besagt. Deswegen war das Ziel des Symposiums unter anderem auch die Öffentlichkeit für das Thema DU zu schaffen – auch damit Ähnliches in der Zukunft nicht passiert.

Prof. Dr. Srdan Aleksic ist der Hauptorganisator des Symposiums – für den erfolgreichen serbischen Anwalt ist DU mehr als nur ein juristisches oder wissenschaftliches Thema, das ist eine persönliche Last, die er seit Jahren auf seinen Schultern trägt. Er sieht die Einsätze der DU-Munition als eine klare Verletzung internationaler Konventionen, da die DU-Munition nicht nur Effektivität als Waffe aufweist, sondern auch langzeitige Schaden der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt zufügt. Obwohl zahlreiche Zeitungen schon darüber berichteten, dass nach 20 Jahren Serbien die NATO auf Schadensersatzzahlungen für die betroffene Bevölkerung und die verschmutzte Umwelt verklagen wird, ist das Unterfangen nach wie vor sehr kompliziert.

Der serbische Fall ist auch an sich nicht so einfach – die Zahl der Opfer der Uranmunition steigt und keiner will die Verantwortung dafür übernehmen. Die aktuelle politische Lage in Serbien scheint noch mehr zu dieser Komplexität beizutragen – der dritte Tag des Symposiums sollte in der Vranje verbracht werden, in welcher eine Exkursion zu den Orten, wo 1999 die DU-Munition eingesetzt wurde, stattfinden sollte. Der Ausflug, sowie das Treffen mit dem Bürgermeister von Vranje wurden ein Tag vorher abgesagt – aus unklaren politischen Gründen. Auch wollten einige Vertreter vom serbischen Militär und verschiedenen Ministerien an dem Symposium teilnehmen, jedoch mussten die auch absage – die Gründe sind auch unbekannt. Aber man kann schon vermuten, dass die von Serbien angestrebte EU-Mitgliedschaft einen gewissen Einfluss auf die Haltung von den offiziellen serbischen Behörden zu der Konferenz hatte. Die Unterstützung vom serbischen Staat ist also eher nicht zu erwarten.

Dieses Jahr war die Konferenz umfangreicher und besser organisiert – es gab zwei Panels mit verschiedenen Themenbereichen: juristische, politische, wirtschaftliche und ökologische Aspekte und Gesundheits- und Sicherheitsaspekte. Dies sorgte dafür, dass möglichst genauer und möglichst weiter Einblick in die aktuelle Lage in Serbien verschafft wird. Es wurden rechtliche Möglichkeiten, notwendige humanitäre Aktion, Medienarbeit und noch viele Themen besprochen. Auch zu den angehenden Prozessen wurde berichtet – zum Beispiel für die Klage gegen NATO müssen noch mehrere Schritte unternommen und mehrere Hindernisse überwunden werden.

Der Vortrag von ICBUW-Sprecher, Professor Manfred Mohr, berichtete über die menschenrechtlichen Aspekte in der serbischen DU-Frage. Die europarechtlichen und völkerrechtlichen Menschenrechtsmechanismen werden oft vergessen oder nicht ernsthaft wahrgenommen – und genau die können den Opfern der DU-Bombardierungen helfen und mehr Aufmerksamkeit auf die Lage in Serbien zu ziehen (vor allem wenn man sich an das UNO-System widmet). Auch die Kausalitätsprobleme kann so umgangen werden – es gibt mehrere Dokumente im Völkerrecht, die auf „precautionary approach“ – Vorsorgeprinzip hinweisen. Die Mechanismen verschiedener völkerrechtlichen Menschenrechtsverträge können auch dann eingesetzt werden, wenn Serbien diese (oder entsprechende Zusatzprotokolle) nicht unterschrieben hat – Stichwort: extraterritoriale Geltung der Menschenrechte. In dem Beitrag wurde auch auf die Möglichkeit der Beschwerde an die UNO Sonderberichterstatter, welche vielversprechend und relativ einfach ist. Während die Prozesse des humanitären Völkerrechts die Schritte seitens des Staates fordern, können die menschenrechtliche Mechanismen von den Opfern individuell oder kollektiv benutzt werden.

Auch heute bleibt das Thema „NATO-Bombardierungen“ in Serbien ein Tabu – darüber wollen weder Politiker noch einfache Menschen kaum sprechen. So bleiben die Opfer hilflos und allein. Das zweite internationale Symposium zeigt aber, dass es immer noch Menschen gibt, denen das Thema und die Opfer nicht egal sind, Menschen, die versuchen, den Betroffenen zu helfen und die NATO-Staaten zur Verantwortung zu bringen. 20 Jahre sind vergangen, aber die Langzeitfolgen des DU-Einsatzes sind immer noch da. Wenn man jetzt nicht handelt, dann wird DU auch weiter eingesetzt, was die Ereignisse in Syrien vor 4 Jahren zeigen. Diskussion, Austausch, Öffentlichkeit, (menschen-)rechtliche Prozesse müssen weitergeführt werden, damit die Jugoslawische Ökokatastrophe nicht woanders nochmal passiert.

(Illia Kukin)

Weitere Berichte:

Gerd Schumann, „Das lange Schweigen“

Barbara Hug, „Schleichender Genozid“