Serbischer DU-Fall geht weiter

20. November 2019 Artikel, Blog-Beiträge
Ölraffinerie Novi Sad 1999. Foto:Darko Dozet

Ein internationales Team von Juristen, Journalisten und Wissenschaftlern kämpft weiter für Gerechtigkeit im serbischen DU-Fall. In der Ausgabe 159 (September 2019, S. 10-11) des Magazins IPPNW Forum wurde der Artikel „Die Bombardierung Ex-Jugoslawiens mit Uranmunition“ von ICBUW-Sprecher Prof. Dr. Manfred Mohr veröffentlicht, welcher über das Symposium in Nis/Serbien im Juni 2019 sowie von den Veranstaltungen in Berlin im gleichen Monat (organisiert von ICBUW, IALANA, IPB sowie dem Uranium Film Festival) berichtet. Dieser Artikel ist das, was im serbischen Fall benötigt wird – ein Teil der umfangreichen Öffentlichkeitsarbeit, die die bevorstehenden menschenrechtlichen und anderen Prozesse begleiten muss, da es des Interesses der Gesellschaft bedarf  – vor allem, wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass das Thema sogar in Serbien tabubehaftet ist.

Einen „Sieg“ im serbischen Informationsraum gibt es aber: eine der größten Tageszeitungen in Serbien „Politika“ hat einen Artikel über die aktuellen Entwicklungen im Prozess gegen die NATO-Staaten veröffentlicht: “Tužbe obolelih protiv NATO članica čekaju stav države“ („Die gegen NATO-Mitglieder anhängigen Klagen warten auf die Position des Staates“). Es wird dabei aber nicht nur über den Prozess selbst berichtet – da die Zeitung an die serbische Bevölkerung gerichtet ist und somit auch an die Bewohner der von der DU-Bombardierung betroffenen Gebieten, werden die Opfer angesprochen. Es werden einige sehr wichtige Punkte geklärt: wen können die Betroffenen ansprechen (es gibt zwei Anlaufstellen in Nis und in der serbischen Hauptstadt Belgrad), welche Angaben werden benötigt und wie kann das Ganze weitergehen. In Serbien gibt es zwar keine Kliniken, wo der Zusammenhang zwischen den Erkrankungen und der DU-Bombardierung festgestellt werden kann, jedoch ist das in einigen anderen europäischen Staaten möglich. Dies kann teuer werden, aber Dr. Sdran Aleksic, der Anwalt aus Nis, der sich schon seit Jahren mit dem DU-Fall auseinandersetzt und der unser Partner im erwähnten Team ist, sagt: „Unsere betroffenen Bürger können und sollen es nicht aus eigener Tasche bezahlen“. Des Weiteren wird auch über andere mögliche Strategien für den Fall berichtet. „Der Umweltschutz steht für Europa und die Welt im Vordergrund und in Serbien ist die Umwelt genau wegen der NATO-Taten verschmutzt“ – so Anwalt Aleksic.

Im Anschluss an die Nis-Konferenz wurde ein Dokumentarfilm veröffentlicht, der Interviews mit den Teilnehmern der Konferenz beinhaltet und ein wenig über die Konferenz selbst berichtet. Sdran Aleksic, einer der Organisatoren der Tagung, betont, dass die Veranstaltung nicht darauf gerichtet ist, jemanden zu beschuldigen, sondern einen Weg zu finden, wie man den Opfern helfen und gute Beziehungen zu den NATO-Staaten erhalten kann; eine Konfrontation ist auf jeden Fall zu vermeiden – es geht im Endeffekt um die Opfer und nicht um das Gewinnen oder Verlieren vor Gericht. Auch die Erfahrung der italienischen Soldaten ist wichtig für den serbischen DU-Fall: Dr. Angelo Fiory Tartalia, involviert in entsprechenden Prozessen in Italien, meint, dass die Serben mehr Möglichkeiten haben, da für die italienischen Opfer nur der nationale Rechtsweg eröffnet war. Es wird aber kein leichtes Vorgehen sein; die Unterstützung von Politikern ist essenziel, und die Tatsache, dass im serbischen Parlament eine Sonderkommission gegründet wurde, die die Zusammenhänge zwischen der DU-Bombardierung und den Erkrankungen analysieren soll, ist ein gutes Zeichen. Es besteht also Hoffnung, dass sich der Staat an dem Unterfangen beteiligen wird. „Es ist zwar noch ein langer Weg bis zur Gerechtigkeit, aber es gibt hier nichts, was nicht zu erreichen ist“ – so Prof. Mohr. Auch andere Teilnehmer der Konferenz sehen die aktuellen Entwicklungen positiv. Die vollständige Version des Filmes gibt es auf YouTube.

Am 28. September fand die Weltpremiere des Films „The Weight of Chains 3“ des serbisch-kanadischen Regisseurs Branislav Malagurski statt. Durch die Analyse von Verbrechen gegen die Umwelt, von genetischen Veränderungen bei Lebensmitteln und des dringenden Problems des Klimawandels umreißt der Film das System, in dem wir leben und inspiriert die Zuschauer zum Handeln. Im dritten Teil geht es um die Bombardierung Ex-Jugoslawiens mit Uranmunition 1999 durch die NATO und um die politischen Entscheidungen, die dahinterstehen, sowie um die Konsequenzen. Den Trailer gibt es auf YouTube und über die Filmpremieren kann man sich auf der Webseite https://weightofchains.ca/three/ informieren.

Obwohl den Betroffenen und den Anwälten im serbischen Fall noch ein langer Weg bevorsteht, kann eine positive Entwicklung beobachtet werden – in Medien tauchen immer wieder Berichte über die DU-Situation in Serbien und anderswo auf und die (Dokumentar-)Filme informieren die Menschen sowohl über die Ereignisse der 1990er-2000er Jahre in Ex-Jugoslawien als auch über die aktuellen Entwicklungen. Das ist ein Teil der erwähnten umfangreichen Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, deren Wert auf keinen Fall zu unterschätzen ist.

(Ilia Kukin)